
Feuer und Eis also, Yin und Yang. Aber geht es nicht auch bei beiden um Entspannung, Durchatmen und Erholung? Darum, sich selbst und seinem Körper etwas Gutes zu tun, Entschleunigung zu finden oder gar ein Stück weiter zu sich selbst? Ganz genau, darum geht es sowohl beim Wandern als auch beim Yoga; beide sind unterschiedlich, ergänzen sich aber und harmonieren wunderbar miteinander. Also doch Yin und Yang.
Die Macher von den „Beijing Hikers” haben dies erkannt und bieten seit diesem Jahr sogenannte „Yoga Hikes” an, bei denen beide Freizeitbeschäftigungen kombiniert werden. Mit dabei auf diesen Wanderungen ist Sabine Kloth, die Deutsche ist ausgebildete Yoga-Lehrerin, lebt seit fast vier Jahren in Beijing und leitet während des Ausfluges die Yoga-Übungen. Sie ist schon länger Mitglied bei dem Wanderclub und erzählt, wie es zu der Idee kam:
„Huijie, die Co-Founderin von den Beijing Hikers, hat mich irgendwann angesprochen, als sie erfahren hat, dass ich eine Ausbildung als Yoga-Trainerin mache; ob ich mir nicht vorstellen könnte, mit denen etwas zusammen zu machen. Ich fand die Idee großartig, sofort. Weil es für mich einfach eine ganz tolle Ergänzung ist, draußen in der Natur zu sein und dort eben Yoga zu betreiben.”
Abgehalten werden die Yoga Hikes in der Gegend rund um den Yinshan, dem „Silberberg”, vielleicht 50 Kilometer nördlich vom Stadtzentrum. An dessen Fuß liegt der „Pagodenwald” (siehe: „Jeder Tag ist ein guter Tag” – Zen-Inspiration im Yinshan Talin), und direkt neben den Pagoden finden auch die ersten Yoga-Übungen statt. Sabine erklärt, warum gerade dieser Ort dafür ausgesucht wurde:„Es ist ein ganz besonderer Ort. Die Atmosphäre ist einfach wie geschaffen für Yoga. Sehr spirituell, sehr schön.”
Und Recht hat sie. Nach einem ersten kurzen Fußmarsch vom Parkplatz, wo ein Fahrer die kleine Gruppe bestehend aus acht Teilnehmern abgesetzt hat, werden die Yoga-Matten ausgerollt, direkt am nördlichen Ende des früheren Fahua-Tempels, keine zehn Meter von den Pagoden entfernt. 45 Minuten dauert die erste Yoga-Einheit, in der Sabine verschiedene Übungen des Hatha-Stils vormacht, erläutert und auch unerfahrenen Teilnehmern fachgerecht und kompetent nahe bringt. Die Ausstrahlung dieses für viele spirituellen Ortes und die mit tiefen Atemzügen durchgeführten Yoga-Übungen lassen ein wohliges Gefühl der Entspanntheit durch den Körper strömen, der Puls schlägt ruhig, die Lungen entlüften sich, das Blut scheint stärker zu fließen, die Muskeln werden geschmeidiger. So kann es also weitergehen, hinauf auf den Gipfel des Silberberges, wobei June von den Beijing Hikers die Gruppe als Wanderführerin über die vielen Steinstufen hinaufführt. Sabine wiederum bildet den Schluß der Gruppe, beide Frauen sind per Funkgerät miteinander verbunden und können so während der gesamten Wanderung sicherstellen, dass niemand von den Wanderern verloren geht. Die Teilnehmer selbst wiederum sind an diesem strahlend schönen Frühsommertag ausschließlich weiblich, das mag an der Verbindung mit Yoga liegen. Zwischen Mitte 20 und knapp 60 sind die Damen, sie kommen aus Dänemark, Kanada, Kolumbien und den Niederlanden, und beim Weg auf den Gipfel wird schnell Bekanntschaft geschlossen und geplaudert.
Wanderführerin June macht dabei immer wieder kleine Verschnaufpausen, erläutert die verschiedenen Baumarten am Wegesrand, zeigt auf einer Karte den weiteren Weg oder erklärt Überbleibsel und Relikte früherer Pagoden oder Wohnhöhlen. Nach und nach erreichen dann auch die Wanderer den Gipfel, die Aussicht auf die umliegenden Gebirgszüge entlohnt das manchmal mühsame Treppensteigen, und der Blick auf die nahegelegene Große Mauer entschädigt sowieso einen eventuell aufkommenden Muskelkater. Dass dieser aber so gering wie möglich ausfällt oder gar ganz ausbleibt, dafür sorgt jetzt wiederum Sabine. Sie zeigt der Gruppe auf der kleinen Plattform auf dem Gipfel verschiedene Dehn- und Entspannungsübungen, die Muskeln werden also erneut schonend gedehnt und gelockert.
Weiter geht es mit dem Wandern, einige Stufen wieder vom Gipfel hinab und dann nach rechts, einen schmalen Pfad entlang, an Thujen und Büschen vorbei. Kleine rote Bändchen mit dem Symbol der Beijing Hikers verweisen dabei immer wieder auf den richtigen Weg, schwierige und etwas anstrengende Passagen sind zudem extra mit Absperrband markiert. Wie auch die restlichen Wanderungen im Programm der Organisation, ist auch der Yoga Hike von sogenannten Scouts im Vorfeld erkundet und freigegeben worden, auf einer Internetseite informieren die Veranstalter zudem über den Schwierigkeitsgrad und vermitteln mit Photos einen ersten Eindruck von den verschiedenen Wanderungen. Und dass das Konzept und die Idee der Yoga Hikes funktioniert, das belegen die Eindrücke der Teilnehmer. Zwei junge Touristinnen aus Dänemark etwa sind für einige Tage in Beijing, sie haben in ihrem Reiseführer von diesem Angebot gelesen und sich spontan entschlossen, es einmal auszuprobieren.
„Ich habe den Ausflug wirklich genossen. Die Wanderung ist anstrengend, aber dann kommt Yoga, um den Körper zu entspannen und zu dehnen und so die wunderschöne Natur genießen zu können.”
„Ich finde es ist optimal. Wirklich. Aus den gleichen Gründen, die meine Freundin gerade gesagt hat. Und das Beste an diesem Trip war wirklich, dass die Yoga-Übungen im Freien gemacht wurden. (…) Wir haben das noch nie gemacht, in Dänemark gibt es Yoga nur in Studios. Und hier war heute wunderschönes Wetter und auch die Landschaft ist bezaubernd, um so etwas zu tun.”
Ganz entspannt geht die Wanderung also wieder hinab ins Tal, vorbei an einem alten Tempel, einem Feldweg entlang und schließlich durch ein kleines Dorf, wo der Fahrer mit den zuvor eingesammelten Yoga-Matten wartet. Diese werden nämlich noch einmal gebraucht, schließlich folgt zum Schluß eine weitere Yoga-Einheit. Diesmal nicht bei den Pagoden, sondern bei einem nahegelegenen Hotel, das direkt an einem kleinen See liegt. Der dortige Steg stellt sich dabei als perfekter Ort für die letzten 45 Minuten Yoga heraus, Sabine führt wieder professionell durch die Übungen und sogar einige Gänse vom angrenzenden See kommen auf den Steg und watscheln interessiert durch die Teilnehmer hindurch. Soviel Bewegung an der frischen Luft macht natürlich hungrig, und so wird im Restaurant des Hotels schließlich ein köstliches Menu aufgedeckt, ein perfekter Abschluß eines perfekten Tages. Das sieht auch Kay aus Kolumbien so:
„Ich liebe es! Ich war schon auf mehreren Wanderungen mit den Beijing Hikers, und heute war es das erste Mal mit Yoga. Und ich liebe es, weil es nicht so eine lange Wanderung ist, bei der man dann total ausgelaugt am Ziel ankommt. Es ist eine Kombination aus Naturgenuß, Übungen, Atemtechniken, Gehen und Entspannen, und der Körper freut sich darüber. (…) Dann natürlich hier in dieser Umgebung im Freien Yoga – das ist ein Traum.”